Ein Löwenjunges, von seiner Mutter in der Wildnis im Stich gelassen, wurde von einer Ziegenherde aufgenommen. Es bekam von den Ziegen Milch zu trinken und wohnte mit ihnen im selben Stall. So dachte es natürlich, es wäre auch eine Ziege. Es meckerte wie sie und fraß Gräser wie sie. Eines Tages kam ein wilder Löwe, der sich zum Frühstück eine Ziege holen wollte. Alle Ziegen und auch das Löwenjunge, das sich ja für eine Ziege hielt, nahmen voller Angst Reißaus. Der Löwe wunderte sich sehr, dass da ein Artgenosse war, der sich wie eine Ziege benahm, und beschloss, sich diesen näher anzusehen. Er fing den kleinen Löwen ein, worauf dieser kläglich zu meckern begann: „Tu mir nichts zuleide! Ich bin doch nur eine arme, schwache Ziege.“ Der große Löwe entgegnete: »Was redest du für dummes Zeug! Du bist keine Ziege, sondern ein Löwe wie ich. „Der aber glaubte ihm kein Wort und jammerte unentwegt weiter. Schließlich schnappte der große Löwe den Kleinen am Kragen, trug ihn zu einer Wasserstelle und forderte ihn auf: »Schau in dein Spiegelbild, und sag mir, ob du aussiehst wie ich oder wie eine Ziege.“ Da endlich erkannte der kleine Löwe seinen Irrtum und benahm sich fortan nicht länger wie eine Ziege, sondern wie ein richtiger Löwe.
Die verborgenen Kräfte im Menschen von Paramhans Swami Maheshwarananda, S.33